Freya Klier am FMG
Veröffentlicht am 8. Oktober 2015AllgemeinPresse
Am 05. Oktober 2015 hatten die Schüler der Q11 des Franz-Marc-Gymnasiums Markt Schwaben die Ehre, die im Februar 1950 geborene DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier zu empfangen. Diese versuchte anlässlich des 25. Jahrestags der Wiedervereinigung den Schülern lebendige Informationen rund um das Thema DDR näher zu bringen. Die aus Dresden stammende Klier ist heute unter anderem als Menschenrechtlerin, Dokumentarfilmerin und Schriftstellerin tätig. Zu Beginn des Vortrags verschaffte Klier den Schülern einen Überblick über das Leben der Kinder und Jugendlichen in der DDR.
In der heutigen Zeit wird der Begriff „Demokratie“ von uns Schülern als selbstverständlich erachtet. Doch, dies war der Referentin ein Anliegen, solle jedem bewusst sein, dass sich ein „Abstecher in die Diktatur“ nicht nur in Deutschlands Geschichte machen lasse, sondern dies auch heutzutage Menschen jeden Alters in anderen Teilen unserer Welt betreffe. Mit Blick auf ihre eigene Jugend reflektierte sie über die Stellung des „Individuums“ in der DDR. Anders als im Westengalt dieses in der DDR nicht mehr als positive Abhebung von der breiten Masse, sondern als Ausweis von Egoismus. Die Menschen hatten damals im Kollektiv zu leben, wobei jedem eine genaue Funktionsbestimmung ohne Mitspracherechte zugeschrieben wurde. Daher verließen die meisten Lehrer den Osten Deutschlands, um weiterhin eigenständige Pädagogen bleiben zu können und sich nicht zu einem sozialistisch geschulten Lehrer ausbilden lassen zu müssen. Es fanden unangekündigte Schulranzenkontrollen der Schüler statt, da aus dem Westen stammende Produkte gänzlich verboten waren und einen Schulverweis sowie eine Sperrung für das Abitur im ganzen DDR- Raum nach sich zogen. Dazu gehörten vor allem Anspielungen auf die Beatles oder die Rolling Stones, weshalb nicht nur deren Musik sondern ebenfalls das Tragen langer Haare nicht gestattet war. Außerdem war das „Aufspringen“ aller Schüler und das laute Ausrufen des Wortes „Freundschaft“ zu Unterrichtsbeginn üblich. Zur Veranschaulichung der damaligen Situation durften die 11. Klassen dieses Szenario nachspielen, wobei den Schülern das Gefühl von ständiger Kontrolle näher gebracht wurde.
Klier berichtete darüber, wie Jugendliche in der DDR als Spitzel der Stasi dienen mussten und unwissend darüber, zu welchem Zweck die Stasi-Mitarbeiter Informationen benötigen, instrumentalisiert wurden. Dabei erteilte die Stasi bestimmten Schülern die Aufgabe, scheinbar unwichtige Details aus dem Privatleben ihrer Mitschüler herauszufinden. Hinzu kam, dass damals für Erwachsene eine strenge Arbeitspflicht herrschte, was es den Jugendlichen zusätzlich erschwerte, über ihre Probleme im Alltag, der geprägt war von strenger schulischer und privater Erziehung, innerhalb der Familie zu sprechen. Aus diesen Kommunikationsproblemen entstand oft stiller Kummer, was allein in der Klasse von Freya Klier zu drei Jugendselbstmorden führte. Sie selbst versuchte, diesen bedrückenden Lebensbedingungen durch das Engagement in einer evangelischen Gemeinschaft zu entkommen.
“Ich wollte immer Schauspielerin werden!” Diesen Satz wiederholte Frau Klier mehrmals in ihrem zweistündigen Vortrag. Um diesen Traum in die Realität umzusetzen, war Freya Klier im Jugendtheater tätig. So wie die meisten ihrer Freunde hatte sie noch einen weiteren Wunsch: Flucht in den freien Westen. Dabei ließ sie angesichts eines Besuchs von 15 aus Götheborg stammenden Jugendlichen, die ebenfalls in einer Theatergruppe agierten, die Gelegenheit nicht aus, einen der Schweden um Fluchthilfe zu bitten. Dieser hatte vor, Freya zu unterstützen, besaß jedoch lediglich ihren Namen und Adresse.
Jahre später, als sich Frau Klier gerade mitten im Schauspielstudium befand, erreichte sie ein Brief aus Götheborg, zusammen mit einem gefälschten Pass sowie Fluchtanweisungen. Und obwohl ihr Fluchtversuch im letzten Moment scheiterte, sie noch auf dem Schiff von Stasi- Anhängern mitgenommen und verhaftet wurde, fiel ihr Gerichtsurteil verhältnismäßig milde aus. Die Leiterin der Theaterschule hatte sich für Freya Klier eingesetzt und schaffte es somit, ihr Urteil auf eineinhalb Jahre, anstatt der üblichen drei bis vier Jahre, zu reduzieren.
Zum Abschluss zeigte “Meine Oderberger Straße”, ein Film von Freya und ihrer Tochter Nadja, die Veränderungen rund um diesen Stadtteil Berlins auf, in dem Klier während ihres zweiten Studiums wohnte und Nadja ihre gesamte Kindheit verbrachte. Nachdem Freya 1988 aufgrund ihrer Friedensbewegungen, die die Leute dazu brachten, sich zusammen zu schließen und ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, ins Gefängnis gekommen war, wurde sowohl sie als auch ihre Tochter in den Westen abgeschoben. Besonders für Nadja bedeutete das den schmerzvollen Abschied von ihrer Heimat, ihren Freunden. Jedoch nur vorläufig, denn bald darauf kam es zum Mauerfall. Seit dem 9. November 1989 war jegliche Art von Kunst wieder willkommen und auch heute ist die Oderberger Straße noch häufig im Gespräch, jedoch eher als Touristenattraktion. Insgesamt lässt sich resümieren, dass Frau Klier zur Veranschaulichung hauptsächlich persönliche Erfahrung mit einbrachte, womit sie die Aufmerksamkeit der Schüler auf sich zog.
Mit ihrer lockeren, aber auch ehrlichen Art bot sie neben ihren Erzählungen den Schülern jederzeit die Möglichkeit, Fragen zu stellen und somit in direkten Kontakt mit dieser spannenden Zeitzeugin zu kommen.
Michaela Trompke Q11


